15.06.2022

Hat das BGH-Urteil im Juni 2021 das Nachbarrecht verändert? (Kopie 1)

So ist die selbstvorgenommene Beseitigung des Überhangs auch dann erlaubt, wenn der Baum dadurch letal geschädigt wird [BGH, 2021]. Mein Nachtrag zu einem früheren Artikel...

In vielen Tages-Zeitungen und Zeitschriften überschlagen sich die Artikel und Kommentare da der Bundesgerichtshof das Selbsthilferecht eines Grundstücksnachbarn nach § 910 Abs. 1 BGB deutlich gestärkt hat. Allein die Begründung, dass die Beseitigung des Überhangs das Absterben des Baums oder der Verlust seiner Standfestigkeit droht, hielt der rechtlichen Nachprüfung durch den BGH nicht stand [1]. Kommunen ohne Baumschutzsatzungen spüren bereits heute die Macht der Baum-Hasser. Als Gerichtssachverständiger bekomme ich aus erster Hand mit, wenn private und kommunale Bäume entfernt werden MÜSSEN, weil ein einzelner Nachbar dies verlangt. Oder der Nachbar einfach die überwachsenden Wurzeln von seinem Grundstück entfernt. Im Zuge der Selbstvornahme ist dies nunmehr ausdrücklich erlaubt und bis heute kenne ich kein Verfahren, dass ein Baumeigentümer erfolgreich einen Schadensersatz eingefordert hat.  

Vorab möchte ich davor warnen, nun einfach am Nachbarbaum herumzuschneiden. Es gibt noch immer Bedingungen, die ich hier nicht thematisieren will.

Nun wird´s ernst für Kommunen ohne Baumschutzsatzung 

„Ich habe ja nichts gegen Bäume, aber dieser...!“ Grenznahe Bäume und insbesondere der Überhang sind regelmäßig Streitgegenstand. Gleich, ob die Maßstäbe den §§ 906, 910 oder 1004 BGB entnommen werden, sind naturschutzrechtliche und behördliche Beschränkungen höhergestellt. Ist die Entfernung des Überhanges mit Blick auf naturschutzrechtliche Regelungen, z.B. eine Baumschutzsatzung zu bewerten, vereinfacht sich die Einschätzung deutlich. Baumschutzsatzungen beschreiben sehr viel genauer und für alle – dem Baumeigentümer genauso wie dem Nachbarn – welche Schnittmaßnahmen verboten sind oder verweisen auf Richtlinien.

„Es gibt Wohngegenden, die haben einfach keine Bäume verdient!“

Bäume leisten besonders im urbanen Raum enormes, dienen der Luftreinigung, kühlen das Stadtklima und bewirken Ruhe sowie Erholung. Reduziert man den Baumbestand in einem Stadtteil wesentlich, dann fallen dort die Immobilienwerte. Andersherum finden sich die höheren Immobilienwerte in Gegenden mit einem alten und gut gepflegten Baumbestand.

Gleichzeitig werden die Grundstücke aber immer kleiner und Bäume stehen plötzlich unmittelbar grenznah.

Es ist völlig unverständlich, wenn sich Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker noch immer um eine vernünftige Baumschutzsatzung zieren und wie es sein kann, dass sogar bestehende Satzungen aufgehoben werden. Gerne wird die Selbstverantwortung von Baumeigentümern genannt und der liberale Gedanke, dass jeder selbst entscheiden dürfe, was er mit seinem Grundstück macht. Hiergenanntes Urteil zeigt deutlich, dass eine Baumschutzsatzung nicht nur den Baumeigentümer in seinen Rechten einschränkt, sondern ihn auch bei dem Erhalt seines Baumes unterstützt.

Zuletzt können Satzungen vor ungewolltem Nachbarstreit schützen. Es muss eine gehörige Beratungsresistenz vorliegen, denn weder ökonomische noch ökologische Gesichtspunkte begründen vernünftige, sachliche Einwände gegen eine Baumschutzsatzung.

Sehr spannend finde ich die Diskussion zum Gleichbehandlungsgrundsatz in dieser Sache, denn nach dem BGH-Urteil sind Baumeigentümer Kommunen mit einer Baumschutzsatzung vor Sachbeschädigung geschützt und in Kommunen ohne Baumschutzsatzung ist es einem Nachbarn per Gesetz erlaubt, einen Sachschaden an fremdem Eigentum vorzunehmen….


[1] BGH, Urteil vom 11. Juni 2021 – V ZR 234/19 –, juris

[2] OLG Köln, Urteil vom 12. Juli 2011 – I-4 U 18/10 –, juris

 

[3] BGH, Urteil vom 14. Juni 2019 – V ZR 102/18 –, juris

Weitere Artikel zum Thema

Aktuell

25.06.2021

Bäume mit Zukunft: klimatolerante Gehölze für den Garten

Im letzten Jahr war es wieder deutlich spürbar: Das Klima verändert sich und bringt neue Wetterextreme mit sich. Das bestätigt auch der Deutsche Wetterdienst (DWD), der 2020 als das zweitwärmste Jahr seit Beginn der...[more]


29.04.2021

Eichenprozessionsspinner (EPS-Strategien)

Wir konnten uns im nördlichen Ruhrgebiet und südlichen Münsterland in den Jahren 2018 – 2019 kaum vor dem Eichenprozessionsspinner (EPS) retten. An Standorten ohne chemische Präventivmaßnahmen haben sich die natürlichen...[more]


25.02.2021

Tiny-Forest - eine gelungene Idee, oder nur ein Marketing-Hype?

Der als Markenname geschützte Begriff `Tiny Forest´ hat mich sofort gefixt, bedeutet übersetzt `winziger Wald´ und trifft die Idee der Initiatoren. Etwas mehr `Mut zum Wald´ finde ich gut, also will ich die Idee mal prüfen...[more]


27.01.2021

DEUTSCHE BAUMPFLEGETAGE AUF 2022 VERSCHOBEN!

Die Deutschen Baumpflegetage 2021 waren für den 04. bis 06. Mai 2021 geplant. Aufgrund der Coronapandemie verschieben die Organisatoren den Termin um ein Jahr auf den 26. bis 28. April 2022. Trotz der Verschiebung wird es das...[more]


18.09.2020

Es geht um die Nuss:

Schmückende Gehölze mit gesunder Frucht Angefangen bei der leicht mehligen Marone und der dreieckigen Buchecker über die herbe Walnuss und die knackige Haselnuss bis hin zur aromatischen Erdnuss und der fast weißen...[more]


06.07.2020

5 Sekunden für die Wissenschaft!

der Eichenprozessionsspinner, die Russrindenkrankheit und weitere Schädlinge suchen vernünftige Bekämpfungs-Methoden, Lösungen und Wege. Erster und wichtigster Schritt bei der Suche nach sinnvollen Maßnahmen ist es, die...[more]


30.04.2020

HTML-Android-App treeSPOT V.2.5.0

Liebe treeSPOT – Kunden, nach mehrmonatiger Testphase, weiteren Verbesserungen und neuen Funktionen kann sich die neue App sehen lassen. Das neue, freundliche Design sticht sofort ins Auge, ohne dass liebgewonnenes fehlt. [more]


Displaying results 15 to 21 out of 51