25.02.2021

Tiny-Forest - eine gelungene Idee, oder nur ein Marketing-Hype?

Der als Markenname geschützte Begriff `Tiny Forest´ hat mich sofort gefixt, bedeutet übersetzt `winziger Wald´ und trifft die Idee der Initiatoren. Etwas mehr `Mut zum Wald´ finde ich gut, also will ich die Idee mal prüfen...

Der WDR berichtete über ein geplantes Miniwald-Projekt in Bochum und zunächst sehe ich mir den Bericht an. Das ansprechende Bild suggeriert natürlich etwas völlig falsches und zeigt einen ausgewachsenen und hektargroßen Buchenwald – aber ich will nicht nörgeln. Das Konzept stammt aus den Niederlanden und hier konnte ich in der Vergangenheit schon viele sehr gute Ansätze in der Baumpflege und im Artenschutz finden.

Auf der Homepage des niederländischen IVN (Instituut voor Natuurbeschermingseducatie, übersetzt etwa Institut für Naturschutzpädagogik) finden sich zahlreiche und gut aufbereitete Projekte zur Naturerfahrung. Vor dem Hintergrund der Natur- und Umweltpädagogik erschließt sich mir das Projekt Tiny Forest® mit einer umfangreichen Internetpräsenz. Es geht in erster Linie darum, die wachsende Natur-Entfremdung – insbesondere der Stadtbevölkerung – entgegenzuwirken. Weiter will man Workshops für Kinder anbieten, (Natur-)Geschichten erzählen und schlicht die Angst vor dem Unbekannten nehmen.

Nun, wenn wir dann den Miniwald in Bochum oder irgendeiner anderen Stadt planen und umsetzen, dann sollte genau das im Fokus stehen. In den Medien werden jedoch die ökologischen Vorteile derartiger Mini-Ökosysteme in den Vordergrund gestellt und hier gilt es aufzuklären.

 

Wie entwickelt sich ein Ökosystem `Wald´...

...auf z.B. 100 qm? Wir nutzen viele Industriebrachen, um die natürliche Sukzession zum Wald zu beobachten, also sollten wir genau das erst einmal tun. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) bietet umfangreiche Info und Literatur, wenn auch weniger ansprechend aufbereitet als die des IVN. Wenn eine urbane Fläche eingezäunt und für sämtliche Nutzung aufgegeben würde, dann entwickeln sich zunächst Kräuter und bald darauf kommen Pioniergehölze, wie z.B. Birken. Gerade die Anfangsstadien sind aus ökologischer Sicht die interessantesten mit der größten Artenvielfalt. Im Tiny Forest® wird diese Sukzessionsphase aber übersprungen und es werden direkt diverse Bäume aufgeforstet. Daraus entsteht bereits in kurzer Zeit ein nahezu undurchdringliches Dickicht. Von überwältigender Artenvielfalt zu sprechen ist etwas naiv, denn auf den 100 qm wird es vielleicht eine Handvoll Arten geben, die in gegenseitiger Konkurrenz stehen. Auf normalgroßen Arealen werden die kräftigsten Arten an den jeweiligen Standorten die schwächeren Arten und Kräuter an den Rand drängen, weshalb die Waldränder besonders interessant sind. Leider ist dies auf 100 qm nicht möglich und es können sich nur sehr wenige Kräuter und niedere Sträucher halten. Selbst die Pionierbaumarten werden sich nur dann halten, wenn der Standort für potenziell stärkere Arten nicht ausreicht. Nach bereits 50 Jahren – ein aus forstlicher Sicht kurzer Zeitraum, der unbedingt überdacht werden muss – werden auf 100 qm höchsten 8 bis 14 Bäume stehen und die Artenvielfalt wird sich auf zwei bis drei reduziert haben. In 100 Jahren stehen dort, soweit überhaupt jemand den ursprünglichen Gedanken noch kennt, vielleicht noch zwei Bäume.

 

Fazit: Umweltbildung mit Tiny Forest®

Die Umweltbildung mit einem Tiny Forest® oder mit bereits vorhandenen Naturerfahrungsräumen und ausgebildeten Natur- und Umweltpädagogen zu verbessern gilt es unbedingt zu unterstützen. Industriebrachen wie Rheinelbe u.v.a. eignen sich sehr und ich helfe insbesondere Kindergärten und Grundschulen gerne bei der Suche.

 

Fazit: Artenschutz mit Tiny Forest®

Einerseits eine Minifläche als Wald neu auszuweisen und andererseits vorhandene Waldstrukturen gedankenlos einer Parkplatzerweiterung zu opfern geht weit am Ziel vorbei. Denn betrachtet man den ökologischen Gedanken von Tiny Forest® fällt mein Fazit anders aus. Bevor wir wie wild auf jeden gut gemachten Naturschutz-Marketing-Hype aufspringen und uns mit immer neuen Ideen verwirklichen wollen, müssen wir unsere Natur-Naivität ablegen. Besonders im Umgang mit Bäumen und Wäldern kommt man ohne Fachleute nicht aus, denn mit den besten Strategien werden ein paar Jahre abgebildet – der Baum und ein Forst benötigen aber den Weitblick von 100 Jahren.

Insbesondere in dem Ballungsraum `Metropole Ruhr´ betreue ich bereits heute zahlreiche Miniwälder und habe regelmäßig mit Nachbarn zu tun, weil von den Bäumen nur Dreck statt Blätter fällt. Ich kenne viele reizvolle und ökologisch wertvolle Nebenflächen, die als `Schandfleck´ durch die Medien gehen. Vor Ort werde ich mehrmals täglich bei meiner Arbeit von Passanten angesprochen, ob nun endlich mal aufgeräumt wird oder der Baum jetzt endlich gefällt wird. Völlig unrealistische Verkehrssicherheitserwartungen werden vorausgesetzt und wenn doch mal ein Baum gefällt werden muss, dann kettet sich sofort einer daran, um dies zu verhindern.

Wir sollten endlich anfangen, die vorhandenen urbanen Wälder und Bäume zu verstehen und zu schützen. Fachleute aus Arboristik und Forst helfen dabei, den Einzelfall zu betreuen.

 

Interessante Links:

Urbane Waldnutzung (umwelt.nrw)

Urbane Wälder

Handlungsleitfaden `Urbaner Wald´

 

 

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