Da die Ressourcen durch Wege- und Straßenbau, Rasen- und Grünflächenpflege, und durch viele andere Arbeiten im Sommer ohnehin oft ausgelastet sind, ist nachzuvollziehen, dass kaum jemand daran interessiert ist dieses Dogma in Frage zu stellen. Eine genauere Betrachtung macht allerdings deutlich, dass man weitgehend dem Naturschutz und der Baumphysiologie gerecht werden kann.
Ausnahmslos im Winter sollten Arbeiten stattfinden, wenn der tatsächliche Gehölzwert des einzelnen Baumes eher einen sekundären Charakter hat. Darunter fallen Bäume, die sich in einer Gehölzstruktur unterordnen, wie Wall- und Feldhecken, Heckenraine, Landschaftshecken und Straßenbegleitgehölze (nicht Straßenbäume!). Hier ist die Kronenpflege der Bäume ebenso wie ein starker Rückschnitt und das `auf den Stock setzen´ in der Zeit vom März bis September zweifelsfrei nicht sinnvoll.
Die Gehölze können diese Schnittstellen im Winter zwar schlecht abschotten und Pathogene verursachen umfangreiche Fäule, jedoch hält sich der Gesamtschaden an der Sache in Grenzen. In einigen Jahren wird dieser Busch oder Strauch erneut zurückgeschnitten und die primäre ökologische Funktion wird durch Fäule oder Pilze nicht geschmälert. Einzelne Bäume werden Defekte, wie Höhlungen, Risse und Fäulen entwickeln, die aber gleichzeitig dem Habitat -Schutz dienen. Mit kritischer Verkehrssicherheit werden solche Bäume gefällt und jüngere Bäume nehmen deren Stelle ein. Die Baumpflege dient in diesen Fällen vorrangig der Verkehrssicherheit und dem Naturschutz.
So müssen die baumbiologischen Bedenken zurückgestellt werden und man darf feststellen: Landschaftspflege ist zu Recht Winterarbeit!
Differenzierter muss die Baumpflege an Solitärbäumen betrachtet werden. Dazu zählen neben den Straßenbäumen auch Parkbäume und Naturdenkmale. Auch einzelne Bäume und Baumgruppen außerhalb der typischen kommunalen Infrastruktur haben als prägende Landschaftsbestandteile einen höheren Gehölzwert. Wenn eine hypothetische Beseitigung eines einzelnen Baumes das Landschaftsbild merkbar verändert, sollten Pflegearbeiten vorrangig dem Erhalt des Baumes dienen.
Auch an diesen Bäumen sind Maßnahmen denkbar, die in den Wintermonaten durchgeführt werden können. Die Totholzentnahme ist da ähnlich zu bewerten wie die Kronensicherung. Diese Maßnahmen werden vorrangig bei älteren Bäumen notwendig und die Sommerausführung kann erheblich mit dem Naturschutz kollidieren. Denn das sich in älteren Bäumen deutliche Habitatstrukturen für verschiedene Fledermausarten, aber auch Höhlenbrüter befinden, ist bei einer Anzahl von Höhlen und Risse wahrscheinlich.
Das Entfernen von Reïteraten wie Stock- und Stammaustriebe sowie Kopfbaumpflege wird häufig außerhalb der Brutzeit durchgeführt. Baumphysiologische Bedenken gegen eine Ausführung dieser Arbeiten im Winter existieren nicht. Ideal werden diese Arbeiten mit dem Laubfall oder unmittelbar nach Laubfall durchgeführt.
Schnittarbeiten bei Bäumen sollten jedoch generell innerhalb der Vegetationszeit durchgeführt werden. Dazu zählen die Jungbaumpflege, Lichtraum – Profilschnitte, verschiedene Kronenpflegeschnitte, Kronenauslichtung und i.d.R. Sondermaßnahmen wie Kronenregenerationsschnitt und Einkürzungen. Im Nenner sind dies allesamt Schnittmaßnahmen, bei denen ins lebende Splintholz geschnitten wird. Mit Hilfe effektiver Abschottung kann der Baum diese Schnitte und die Schäden die daraus resultieren je nach Art mehr oder weniger gut eingrenzen. Der Fachmann spricht vom CODIT – Prinzip [1], wenn die Wundreaktionen vor allem bei Laubbäumen von lebenden Zellen bestimmt werden. Da diese Zellen im Winter kaum aktiv sind, erfolgt eine bedeutend engere und bessere Abschottung um die Schnitte, die im Sommer durchgeführt wurden.
Der Sommerschnitt steht im Zusammenhang dieser Maßnahmen nicht unbedingt im Widerspruch zum Artenschutz. Diese Pflege betrifft oftmals Jungbäume und Bäume am Beginn der Reifephase. Relevante Habitatstrukturen findet man bei jungen Bäumen seltener.
Mit großer Regelmäßigkeit stehen Verantwortliche kommunaler Baumbestände vor einem Widerspruch, wann der richtige Zeitpunkt für Baumpflegearbeiten ist. Das der gewissenhafte Baumpflegeschnitt nicht im Winter, sondern im Sommer durchgeführt werden sollte steht dabei im ständigen Konflikt zum § 39 BNatSchG und entsprechenden Landesausführungsgesetzen. Diese oberflächliche Betrachtung führt dazu, dass fachgerechte Baumpflege im Gegensatz zum Gesetz steht und auf die baumphysiologischen Besonderheiten keine besondere Rücksicht genommen werden kann.
Nicht alle Bauhofleiter sind ausgebildete Baumpfleger. Zudem haben diese Einsatzleiter auch andere Aufgaben zu erledigen, als den richtigen Schnittzeitpunkt für Bäume zu ermitteln. Wenn die Richtlinien und Gesetze widersprüchlich scheinen, ist die gängige Ausführung die erste Wahl. Helfen kann neben einer schlüssigen Dienstanweisung bereits der gut ausgebildete Baumkontrolleur. Er wägt im Optimalfall mit seiner Maßnahmenempfehlung die Vor- und Nachteile der Ausführungszeitpunkte gegeneinander ab. Moderne Katasterprogramme helfen dabei und der Einsatzleiter muss diese Ausführungszeit umsetzen. Zumindest der die auf Unsicherheit basierenden `Ausführungszeit aus Gewohnheit´ kann damit begegnet werden.
Die Einschätzung, dass Baumpflege in den Sommermonaten sinnvoller ist, ist nicht neu. Deshalb sieht der § 39 (5) BNatSchG eine Ausnahme vor, die schonende Form- und Pflegeschnitte zur Gesunderhaltung von Bäumen erlaubt. Allerdings grenzen einige Landesausführungsgesetze und örtliche Baumsatzungen diese Möglichkeit insofern wieder ein, dass entsprechende Maßnahmen von Behörden genehmigt werden müssen. Für diesen Verwaltungsakt können überzeugende Begründungen sehr hilfreich sein. U. Pietzarka stellte in BAUMPFLEGE – BAUMBIOLOGISCHE GRUNDLAGEN UND ANWENDUNG [2] gegenüber, in welchen Monaten verschiedene Gründe für und gegen einen Pflegeschnitt sprechen. Betrachtet wurden dabei Faktoren für ungünstige Zeiträume z.B. wegen Saftdruck, Artenschutz, Austriebszeit, Sonnenbrandgefahr, des Entfernens von Reserven, Pilzinfektionen und Starkfrösten. Dagegen stellte er vorteilhafte Zeiträume wie die Zeiten schnellerer Wundheilung, effektiverer Kompartimentierung, Totholz- und Habituserkennbarkeit. In Summe schnitten die Monate März und vor allem April für Baumpflegemaßnahmen als äußerst ungünstig ab. Die Vorteile überwiegen deutlich in den Monaten Juni bis September.
Wenn der ideale Schnittzeitpunkt nicht perfekt in betriebliche Abläufe passt, ist dies kein Grund den Status Quo einfach beizubehalten. Verantwortliche Planer und Einsatzleiter erhalten in den folgenden Heften weitere Hilfen und Informationen. Diese können den Bauhofleiter unterstützen, die Baumpflege nach neuesten Erkenntnissen gewissenhaft und effektiv umzusetzen.